Vor wenigen Wochen sind Pläne der EU-Kommission bekannt geworden, die europäischen Haushaltsmittel für die Regionen stärker zu zentralisieren. Das wäre eine Abkehr von der bisherigen Praxis, die auf einer regionalen Verwaltung und Verwendung europäischer Fördergelder fußt. Im Klartext: Die Bundesländer hätten danach kaum noch einen Einfluss auf die konkrete Verwendung der Mittel. Nach diesem Vorschlag würde die Bundesebene direkt mit der EU-Kommission über die Verwendung der Mittel verhandeln. Hessen hat heute einen Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht, der sich klar gegen diese Pläne ausspricht.
Hessens Europaminister sagte dazu heute im Bundesrat: „Hessen ist eine starke Region in Europa und wir glauben an das Europa der Regionen. Gerade weil die EU oft in der Kritik steht, weit weg von den Menschen zu handeln, sollte sie die mit Abstand sichtbarsten Maßnahmen Europas in den Regionen nicht weit weg von den Bürgerinnen und Bürgern planen. Die bekanntgewordenen Vorschläge der EU-Kommission würde die regionale Ausgestaltung der europäischen Regionalförderung quasi abschaffen und die Regionen zu Almosenempfängern degradieren. Es würde die politische Bedeutung der Regionen und damit auch die demokratische und legitimatorische Verwurzelung der EU schwächen. Der Vorschlag ist deshalb die schlechteste Idee seit Langem für Europa.“
Bürgernahe Lösungen vor Ort
„Mit unserer Auffassung stehen wir nicht allein“, sagte Manfred Pentz weiter. „Erst kürzlich haben sich zum Beispiel die Power-Regions Europas, aber auch der Ausschuss der Regionen und das Europaparlament gegen diese Pläne ausgesprochen. „Das ist auch keine nur theoretische Diskussion. Wir haben bereits bei der Debatte um den NextGenerationEU-Fonds der EU gesehen, dass Berlin europäische Gelder dazu benutzt hat, eigene Haushaltslöcher zu stopfen und darüber lange vorher versprochene Bundesprogramme zu finanzieren. Die Pläne der EU-Kommission wären deshalb nichts anderes als ein Subventionsprogramm für den Bundeshaushalt zu Lasten der Länder. Der hessische Antrag spricht sich daher sehr deutlich gegen diese Idee aus und fordert die Bundesregierung auf, auf europäische Ebene beherzt dagegen vorzugehen.“
„Und um es klarzustellen: Dabei geht es nicht um Eitelkeiten der Regionen, sondern uns geht es darum, wie künftig kleinere und mittlere Unternehmen, soziale Einrichtungen oder überbetriebliche Berufsbildungsstätten vor Ort unterstützt werden. Es gibt schlicht keinen Grund für einen Systemwechsel von regional zu national. Wir brauchen keine weitere bürokratische Ebene in der Förderpolitik, sondern bürgernahe Lösungen vor Ort. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Berlin besser als Wiesbaden weiß, wo in Fulda, Frankfurt oder Kassel der Schuh drückt. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Mittelverwaltung selbst, sondern auch für die Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Von Finanzperiode zu Finanzperiode gibt es die Diskussionen, die starken Regionen weniger oder gar nicht mehr zu fördern. Doch wer solche Ideen vertritt, verkennt die wirtschaftliche Strahlkraft starker Regionen über ihre Grenzen hinweg. Es nützt nichts, nur die strukturschwachen Regionen zu fördern und dabei die Zugmaschinen unseres Wohlstandes zu vernachlässigen. Auch starke Regionen wie Hessen haben besondere Herausforderungen, etwa bei der Digitalisierung oder im Bereich der Forschungsinfrastruktur“, sagte Manfred Pentz.
„Letztlich“, schloss der Minister, „geht es bei der Debatte auch um die Struktur der EU insgesamt. Wenn die EU-Kommission über milliardenschwere Programme mit den nationalen Regierungen verhandelt, gibt es ihr eine Power, die sie auf politischer Ebene nicht hat. Sie könnte also Reformen in den Mitgliedstaaten einfordern, für die sie in den EU-Verträgen keine Zuständigkeit hätte. Würden die Vorschläge umgesetzt, liefe man Gefahr, eine schleichende Kompetenzverschiebung zu Gunsten der europäischen Ebene zu begünstigen. Auch diesen Aspekt greifen wir in unserem Antrag auf.“
Hintergrund EU Fördermittel in geteilter Mittelverwaltung:
Hessen profitiert in erheblichem Maße von Förderungen aus EU-Mitteln. Bei EU-Fördergeldern wird grundsätzlich zwischen den Struktur- und Investitionsfonds einerseits und den von der EU-Kommission direkt verwalteten Förderprogrammen andererseits unterschieden.
Zu den für Hessen relevanten Fonds zählen der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und der Europäische Sozialfonds Plus (ESF+).
Der EFRE ist in der aktuellen Förderperiode auf zwei politische Ziele der Europäischen Union ausgerichtet: Ein „wettbewerbsfähigeres und intelligenteres Europa“ und ein „grüneres Europa“. Im Rahmen dessen werden beispielsweise Projekte zur nachhaltigen Steigerung der Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen, zur Förderung von Energieeffizienz oder zur Entwicklung von Forschungs- und Innovationskapazitäten unterstützt.
Förderung von Beschäftigung und sozialer Eingliederung
Der ESF+ ist das wichtigste Instrument der EU zur Förderung von Beschäftigung und sozialer Eingliederung. In Hessen verfolgt der ESF+ mit seinen Programmen insbesondere zwei Ziele: den gleichberechtigten Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung sowie aktive Inklusion und Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit.
Die Landwirtschaft und der Ländliche Raum in Hessen erhalten hauptsächlich Fördergelder aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL). Zusammen stellen diese beiden Fonds die zwei Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) dar. Die mit dem ELER-Fonds in Hessen angestrebten Ziele, Maßnahmen und geplanten Ausgaben sind für die Jahre 2023-2027 im GAP-Strategieplan festgelegt.
EU-Struktur- und Investitionsfonds
Für die EU-Struktur- und Investitionsfonds erhält Hessen in der aktuellen Förderperiode 2021-2027 einen Betrag von ca. 774.340.500 €, der sich wie folgt aufteilt:
- Europäischer Fonds für die regionale Entwicklung (EFRE): ca. 248.704.700 €
- Europäischer Sozialfonds Plus (ESF+) ca. 169.152.500 €
- Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER): 356.483.300 € für Maßnahmen der Landwirtschaft und das ländlichen Raums (u.a. einzelbetriebliche Investitionsförderung, Ökologischer Landbau, Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, Dorf- und Regionalentwicklung, Innovation und Zusammenarbeit)
Die EU-Mittel stehen mit unterschiedlichen Beteiligungssätzen in den jeweiligen Programmen zur Verfügung und müssen mit weiteren Mitteln (nationale Mittel oder Landesmittel) kofinanziert werden. Darüber hinaus erhält die hessische Landwirtschaft im aktuellen Jahr 2024 rund 250 Mio. Euro aus dem EGFL, vor allem in Form der sog. Direktzahlungen. Für die 5-jährige Förderperiode 2023-2027 wird der zu erwartende Gesamtbetrag auf rd. 1,2 Mrd. Euro geschätzt.